Tumor Antigene sind Tumor-spezifische Eiweißsequenzen, die durch Mutationen in der Tumor-DNA entstehen.1 Diese Antigene und die damit verbundene Tumormutationslast stehen im Fokus der Biomarkerforschung.
Mutationen in der DNA von Krebszellen können dazu führen, dass neuartige, dem Körper unbekannte Proteine hergestellt werden.1 Werden Teile dieser fremden Proteine auf der Zellmembran präsentiert, können sie von den Immunzellen des Körpers als „fremd“ erkannt werden und führen zu einer Immunantwort.2,3
Eine erhöhte Anzahl von tumorspezifischen Antigenen kann die Immunogenität des Tumors erhöhen und das Ansprechen auf Immuntherapien verbessern.2,4 Neoantigen-spezifische T-Zellen konnten in mehreren Tumorentitäten nachgewiesen werden.5
Aufgrund der technischen Komplexität werden Neoantigene aktuell nicht direkt, sondern indirekt bestimmt: Mit Next-Generation Sequencing (NGS) werden tumor-spezifische Mutationen in der Tumor-DNA identifiziert. Die Anzahl der Tumor-spezifischen Mutationen wird als Surrogatmarker für die Neoantigenlast verwendet.6,7
Die Tumormutationslast (TMB, tumor mutation burden) beschreibt die Anzahl der somatischen, Tumor-spezifischen Mutationen.8 Sie wird üblicherweise als Anzahl pro Bereich des Genoms (z.B. Megabase) angegeben. Keimbahn-Mutationen bleiben hierbei unberücksichtigt.8 Die Höhe der Mutationslast variiert in den verschiedenen Tumorentitäten.9,10
Tumore mit einer hohen Mutationslast verfügen möglicherweise über eine höhere Anzahl an Neoantigenen, und damit über eine stärkere Immunogenität sowie eine höhere Anzahl an Tumor-infiltrierenden Lymphozyten (TILs).11,12 Eine hohe TMB wurde mit einer hohen Infiltration von cytotoxischen T-Zellen in die Tumormikroumgebung (TME, tumor microenviroment) assoziiert und gilt damit als potentieller Surrogatmarker für die Neoantigenpräsenz.6,13,14
Eine erhöhte Tumormutationslast kann u.a. durch ein defektes DNA-Reparatursystem (z.B. dMMR, deficient mismatch repair), Mutationen in der DNA-Replikationsmaschinerie (z.B. POLE Mutationen) oder durch mutagene Umwelteinflüsse wie Tabakrauch und UV-Strahlung hervorgerufen werden.9,10,15
TMB wird mit Hilfe von Next-Generation Sequencing bestimmt, wobei üblicherweise alle kodierenden Bereiche (WES, whole exome sequencing) oder spezielle Gene (CGP, comprehensive gene panel) sequenziert werden.8,16 Eine Standardmethode und ein Schwellwert für TMB sind noch nicht etabliert.10
TMB wurde als potentieller prädiktiver Faktor für das Ansprechen auf Immuntherapien identifiziert und ist daher aktuell in mehreren klinischen Forschungsprogrammen vertreten.17,18,19
Mikrosatelliten sind repetitive DNA-Sequenzen, die sich über das humane Genom verteilt befinden. Sie dienen der Aufrechterhaltung der Chromosomenstruktur und finden sich in den Centromerbereichen und am Ende der Chromosomen. Wegen ihrer repetitiven Struktur und der Tandemanordnung der Basen kommt es besonders leicht zu Mutationen und zu Längenänderungen der Mikrosatelliten-DNA.20,21
Das DNA-Mismatch-Reparatursystem (MMR, mismatch repair) ist ein hochgradig konserviertes Fehlerkorrektursystem, welches spontane Mutationen und Doppelstrangbrüche während der DNA-Replikation identifiziert und repariert.22
Die vier wichtigsten Gene des MMR sind MLH1 (mutL homolog 1), MSH2 (mutS homolog 2), MSH6 (mutS homolog 6) und PMS2 (postmeiotic segregation increased 2). Sind ein oder mehrere Gene des Mismatch-Reparatursystems defekt oder durch Hypermethylierung inaktiv, bezeichnet man dies als dMMR (deficient mismatch repair).22
dMMR kann zu einer Anhäufung von Mutationen führen, insbesondere in den Bereichen der Mikrosatelliten.22 Diese Anhäufung wird als hohe Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H) bezeichnet. Die Mutationen können kodierende Regionen der DNA direkt oder indirekt beeinflussen.20,23,24 Insgesamt haben dMMR/MSI-H Tumore eine Vielzahl von Mutationen und somit eine hohe Tumormutationslast,20,21 sowie eine höhere Anzahl an Neoantigenen.1
dMMR/MSI-H kann über zwei unterschiedliche Methoden nachgewiesen werden:20,22
Im Kolorektalkarzinom und anderen Indikationen wird die Relevanz von dMMR/MSI-H als prädiktiver Biomarker für Immuntherapien untersucht.22,23